Aggressionen
1. Einführung
Dinge mutwillig zerstören, andere Menschen anschreien oder sogar verletzen, sich selbst schaden – unkontrollierte Aggressionen und die damit in Verbindung stehende mangelnde Selbstkontrolle stellen für Betroffene und Angehörige eine große Belastung und auch Gefahr dar. Sie beeinträchtigt das Miteinander in unterschiedlichen Lebensbereichen wie Beziehungen oder in der Arbeitswelt.
Aggressionen an sich haben in den letzten Jahren eine Zunahme erfahren. So tragen beispielsweise die Zugänglichkeit von Waffen (O'Donnell, 1995), die globale Erwärmung (Anderson et al. 1997), die Gewalt gegen Kinder in Schulen und zu Hause (Hyman, 1995; Straus, 2000) und die weit verbreitete Exposition gegenüber gewalttätigen Unterhaltungsmedien (Bushman & Huesmann, 2001) zum hohen Maß an Gewalt und Aggression in modernen Gesellschaften bei. Die ständige (mediale) Reizüberflutung, gesellschaftlicher Druck, unaufgearbeitete Erfahrungen, Egozentrismus und unzureichende Kommunikation in Kombination mit mangelnden Bewältigungsstrategien führen oft zu (ungewollten) Eskalationen.
Per Definition sind Aggressionen oft beabsichtigte Verhaltensweisen, die darauf abzielen, einem Organismus auf eine direkte oder indirekte Weise zu schädigen. Daraus kann ein Schaden resultieren, dieser kann sichtbar oder unsichtbar sein. Das Verhalten des Aggressors entspricht außerdem nicht den kulturell geduldeten Normen.
Quellenangaben:
Hillert, A. & Marwitz, M. (2006). Die Burnout Epidemie oder brennt die Leistungsgesellschaft aus? München: C.H.Beck.
Lanz, C. (2010). Burnout aus ressourcenorientierter Sicht im Geschlechtervergleich. Wiesbaden: VS Verlag.
2. Erklärungsansätze der Psychologie
Als wichtige Komponenten bei der Entstehung von Aggressionen werden aktuell die Gene (Vererbung) und die Lernerfahrung des Individuums genannt. In der kindlichen Entwicklung können gewalttätige Erwachsene als Vorbild genommen werden. In der berühmten „bobo-doll“- Studie von Bandura (1963) wurde gezeigt, dass Kinder, die Erwachsene dabei beobachteten, wie sie sich gewaltsam gegenüber einer Puppe verhielten, deutlich öfter aggressives Verhalten beim Spielen zeigten, als Kinder, die friedliche Erwachsene beobachteten.
Weiterhin können sogenannte „positive Verstärker“ dazu führen, dass sich Kinder aggressives Verhalten angewöhnen. Es kann vorkommen, dass Eltern ihrem Kind dann Wünsche erfüllen, wenn es schreit, seine Eltern schlägt oder anderes aggressives Verhalten zeigt – in der Hoffnung, dass das Kind sich dadurch beruhigt. Durch diese Form der Belohnung wird das aggressive Verhalten jedoch verstärkt und wird auch in Zukunft weiter auftreten.
Neben Theorien, die Lernerfahrungen als grundlegend für die Entwicklung von aggressivem Verhalten erachten, gibt es auch Theorien, laut denen Aggressionen in der menschlichen Natur verankert sind. Die prominentesten sind dabei die psychoanalytische Aggressionstheorie nach Freud und die Instinkttheorie nach Lorenz.
Dem Erklärungsansatz von Konrad Lorenz nach liegt der Ursprung von Aggressionen im evolutionären Erbe des Menschen. Aggressionen sind demnach ein Überbleibsel des Triebverhaltens und deshalb in jedem Menschen vorhanden. Demnach drängt der Aggressionstrieb immer wieder nach Befriedigung.
Auch Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, nahm an, dass in jedem Menschen ein Aggressionstrieb vorhanden ist. Durch Zivilisation und Kultur wird dieser Trieb unterdrückt, kann aber nie vollständig überwunden werden. Die Unterdrückung des Triebs kann außerdem zu Symptomen und Krankheiten führen.
Quellenangaben:
Brinkmann R. (2002). Mobbing, Bullying, Bossing. Treibjagd am Arbeitsplatz. Erkennen, Beeinflussen und Vermeiden systematischer Feindseligkeiten (2. Aufl.). Heidelberg: Sauer.
Leymann, H. (2006). Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch.
Wyrwa H. (2003). Mobbt die Mobber! Survival-Guide für Mobbing-Opfer. Stuttgart: Kreuz Verlag.
3. Arten von Aggressionen
Es existieren viele verschiedene Formen von Aggression. Sie treten in unterschiedlichen Kontexten auf und werden anhand verschiedener Kriterien unterschieden:
- Autoaggression: Gegen die eigene Person gerichtetes, selbstverletzendes Verhalten.
- Erleichternde Aggression:Gegen andere Person gerichtet, um dieser zu schaden. Zielt darauf ab, den unangenehmen Zustand des Täters/der Täterin zu reduzieren.
- Heiße Aggression: Die Selbststeuerung des Täters/der Täterin ist in diesem Zustand beeinträchtigt, der Herzschlag ist erhöht, die Muskeln sind angespannt, er/sie schreit. Die Selbstkontrolle ist in diesem Zustand stark eingeschränkt.
- Kalte Aggression: Ist gesteuert und rational. Zur Zielerreichung werden Emotionen abgespalten.
- Indirekte Aggression: Wegen innerer Hemmung des Täters/der Täterin oder äußerer Hindernisse kommt es zu keinem direkten körperlichen Angriff, sondern einer indirekten Schädigung (z.B.: Mobbing).
- Verdeckte Aggression: Nicht ausgelebte Aggressionen, phantasiert.
- Passive Aggression: Diese Aggression äußert sich durch unkooperatives Verhalten oder Manipulation auf indirektem Weg. Ein Widerstand des Täters/der Täterin, den Konflikt offen auszutragen, ist für das Opfer spürbar.
- Appetitive Aggression: Geplant und zielgerichtet jemand anderem Schaden zufügen. Führt zu positiver Erregung bei dem/der TäterIn.
- Instrumentelle Aggression: Dient einer Zielerreichung und ist geplant. Der/Die TäterIn erhält dadurch eine positive Verstärkung.
- Konstruktive Aggression: Dient einer Zieleerreichung und schadet weder der eigenen noch einer anderen Person.
4. Erkennen von Aggressionen
Ein aggressiver Erregungszustand ist kulturunabhängig bei allen Menschen durch ähnliche Merkmale gekennzeichnet. Folgende Auffälligkeiten können dabei häufig in Kombination miteinander beobachtet werden:
- Unruhiges Hin- und Herlaufen, Gestikulieren, Fäuste ballen, starre Mimik, Schreien, Beschimpfungen, Drohungen, Zerstören, Schlagen, Treten etc. von Personen oder Gegenständen.
- Im körperlichen Bereich zeigt sich ein Erregungszustand häufig durch muskuläre Anspannung, eine verkrampfte Körperhaltung, Schwitzen, Errötung, gesteigerte Herzfrequenz, gesteigerter Blutdruck, Zittern oder Hitzegefühl.
- Angst, Enttäuschung oder Wut
- Hilfslosigkeit oder Frustration
- Ungerechtigkeitsempfinden oder Verzweiflung
- Rivalität um PartnerIn
- Gewalterfahrungen
- Liebesdefizit, Zuwendungsdefizit oder Minderwertigkeitsgefühl
- Selbstwertaufwertung oder -verteidigung
- Rangordnungsposition verteidigen oder erwerben
- Missachtung
- Reaktion auf eine extreme Situation
- Eigentum verteidigen
- Verteidigung einer anderen Person
- Sportliche Aktivitäten: z.B. Ausdauertraining oder gegen einen Boxsack schlage
- Entspannungstechniken: z.B. Progressive Muskelrelaxation, Achtsamkeit, Autogenes Training. Diese dienen dem allgemeinen Stressabbau.
- Ablenkende Verhaltensweisen: Raumwechsel, Gesprächsthema ändern
- Antiaggressionstraining: Das Ziel des Anti-Aggressionstrainings ist der Abbau von aggressiven Verhaltensweisen. Hierfür wird das Verhalten der Teilnehmer des Anti-Aggressionstrainings beobachtet und analysiert und die Teilnehmer werden mit aggressivem Verhalten konfrontiert. Durch die verschiedenen Übungen lernen die Teilnehmer, bei Provokation auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten.
- Psychologische oder therapeutische Gespräche: Ursachen werden eruiert und bearbeitet und neue Bewältigungsstrategien erlernt.
- Atemübungen zur Ablenkung und Beruhigung
- Ausschreien in geeigneter Umgebung: z.B. im Wald, bei einer Zugbrücke oder im Keller
- Zerreißen von fester Pappe oder Kartons: Senkt freigewordene Zerstörungsenergie
- Laut Musik hören, am Besten auch mitsingen: Hilft bei der Verarbeitung intensiver Emotionen
- Erregung und Handlung voneinander trennen zu können
- Lernen, sich von einer Situation zu distanzieren und Kompromisse einzugehen
- Analyse der Beweggründe für Aggressionen
- Besprechung vorgekommener aggressiver Vorfälle und Auslösesituationen zu eruieren
- Besprechung anstehender schwieriger Situationen
- Stärkung von Selbstkontrolle und Eigenverantwortung
- Erlernen von Selbstreflexion
- Lernen, die Perspektive zu wechseln
- Konfliktlösungsstrategien zu erlernen
5. Häufige Motive und Auslöser von Aggressionen
6. Behandlung und Therapie
Nicht jede Form von Aggression führt zu der Notwendigkeit einer Therapie. Oft kann eine Veränderung der Sichtweise durch Selbstreflexion beziehungsweise der aggressionsauslösenden Umstände zu einer Entspannung führen. Helfen eigene Ansätze als Hilfestellung nicht und kommt es zur Gefährdung der eigenen oder anderer Personen, Strafanzeigen oder anderen Konsequenzen, so empfiehlt sich eine Vorstellung bei einem/einer PsychiaterIn und/oder PsychologInnen oder TherapeutInnen.
Zum Abbau von Aggressionen gibt es verschiedene Ansätze. Dabei geht es zunächst darum, aufgestaute Emotionen und Energie abzubauen, anstatt sie zu unterdrücken. Allerdings soll verhindert werden, dass dabei der Person selbst, Mitmenschen, Tieren oder Gegenständen Schaden zugefügt wird.
Möglichkeiten zur Aggressionsbewältigung:
Da Aggression als menschlicher Trieb verstanden wird, wie auch Hunger oder Sexualität, ist das Ziel einer Therapie, einen angemessenen Umgang mit dem Trieb zu entwickeln. Bei einer Psychologischen Behandlung oder in einer Psychotherapie wird ein konstruktiver Umgang mit Aggressivität erlernt, das heißt, dass angemessene Aggressionen kontrolliert zugelassen werden sollen, bei gleichzeitigem Erlernen von Strategien zur Vermeidung unangemessener Aggressionen. Ebenso kann es nötig sein, gehemmte Aggressionen aufzuarbeiten und zu lernen, diese zu spüren und zuzulassen.
Ziele der Behandlung von Aggressionen sind unter anderem:
Quellenangaben:
Ausfelder T. (2001). Mobbing: Konflikte am Arbeitsplatz erkennen, offen legen und lösen (2. Aufl.). München: Wilhelm Heyne.
Kolodej, C. (2005). Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung. Wien: WUV.
Wonnebauer, G. (2013). Mobbing am Arbeitsplatz. Eine Broschüre der Arbeiterkammer Kärnten. Verfügbar unter: http://media.arbeiterkammer.at/kaernten/Broschueren/Arbeit_und_Recht/Mobbing.pdf [18.08.2014].