Trauma – EMDR

1. Einführung

Seit der Entdeckung der Methode im Jahre 1987 durch Francine Shapiro, ist EMDR eine weit verbreitete Technik zur Behandlung von traumatischen Erlebnissen, Angststörungen und anderen belastenden Situationen. Was traumatische Erlebnisse sind, was EMDR ist und wie sich der Ablauf einer EMDR-Behandlung darstellt, wird hier genauer beschrieben.

2. Traumatische Erlebnisse

Einschneidende ErlebnisseExtreme Belastungssituationen, wie Unfälle, Gewalterfahrungen, Missbrauchserfahrungen oder das Erleben von Naturkatastrophen, können unsichtbare Wunden verursachen. Diese traumatischen Erlebnisse hinterlassen bei einem Teil der Opfer schwere seelische Verletzungen, die alleine nicht mehr bewältigt werden können. Manche Betroffenen leiden einige Tage unter dem Erlebten (akute Belastungsreaktion), können dann aber aus eigener Kraft normal weiter leben. Andere schaffen dies nicht und leiden Wochen, Monate oder Jahre nach dem Trauma noch immer an den Folgen – es wird von einer posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen. Ist dies der Fall, wird das traumatische Erlebnis immer wieder durch sich aufdrängende Erinnerungen durchlebt (Träume, Flashbacks etc.). Die Betroffenen können sich entweder an die Belastungssituation nicht mehr (oder teilweise) erinnern, oder sie befinden sich in einem Zustand chronischer Erregung (Reizbarkeit, Wutausbrüche, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten etc.).

MissbrauchDer posttraumatischen Belastungsstörung geht ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung einher, das nahezu bei jeder Person eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Dieses Erlebnis übersteigt unsere Verarbeitungsfähigkeiten und steht mit dem Erleben von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Todesangst in Verbindung. Meist werden Traumata, die von Menschen zugefügt werden, am traumatischsten empfunden (z.B. Kriegserlebnisse, Gewalt, Missbrauch, Entführung). Naturkatastrophen (Erdbeben, Wirbelstürme etc.), Verkehrs- bzw. Arbeitsunfälle sowie Todesfälle können gleichsam traumatisierend wirken, richten jedoch meistens weniger psychischen Schaden an als die durch den Menschen verursachten Traumata, da man sich weniger persönlich verraten fühlt. Auch starke Demütigungen oder andere psychische Belastungssituationen, die ein überwältigendes Hilflosigkeitsgefühl auslösen (Mobbing, Geburtserlebnisse, Scheidung etc.), können starke Belastungsreaktionen zur Folge haben (Hofmann, 2006).

Quellenangaben:
Hofmann, A. (2006). EMDR: Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome (3. überarb. Aufl.). Stuttgart: Thieme.

3. Was ist EMDR?

UnfallEMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine klinische Behandlungsmethode, die vorrangig zur Traumabehandlung eingesetzt wird. Die Informationen über traumatische Erlebnisse (z.B. Geräusche, Bilder, Gedanken, Gefühle der Traumasituation) scheinen im Nervensystem eingefroren zu sein. Wenn ein Mensch ein psychisches Trauma erlebt, können sich gehirnchemische Veränderungen der Neurotransmitter ergeben, wodurch die belastenden Eindrücke nicht richtig verarbeitet werden können. EMDR ist eine Technik, die mit schnellen Augenbewegungen arbeitet und dadurch den Zugang zu den neuronalen Netzwerken im Gehirn öffnet. Dadurch wird die Verarbeitung der belastenden Erfahrungen ermöglicht. In der Behandlung folgt der Patient bzw. die Patientin mit den Augen den rhythmischen Bewegungen der Finger der therapierenden Person.

Während der EMDR-Behandlung wird der Patient bzw. die Patientin gebeten, eine Erinnerung an das Trauma zu aktivieren. Durch die Augenbewegungen kann vermutlich eine Verbindung zwischen dem Bewusstsein und den Gehirnarealen hergestellt werden, welche die betreffenden Informationen abspeichern. Man vermutet, dass die Augenbewegungen im Schlaf den gleichen Effekt haben und die Verarbeitung von unbewusstem Material fördern. Die absichtliche Ausführung der Augenbewegungen kann Gehirnareale stimulieren und so die kognitive Verarbeitung anregen. Es scheint ein bedeutender Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen und beschleunigter Informationsverarbeitung zu bestehen. Die Wirkung des EMDR scheint darauf zu beruhen, dass sich die abgespeicherten Erinnerungen verändern, was wiederum eine Veränderung der aktuellen Symptome und Beschwerden nach sich zieht.

Diese Technik kann nicht nur bei traumatischen Erlebnissen eingesetzt werden, sondern ist mittlerweile auch bei anderen negativen Erlebnissen (z.B. belastenden Kindheitserinnerungen, Mobbing am Arbeitsplatz) und Angststörungen eine erprobte Methode. Eine EMDR-Behandlung besteht nicht nur aus Verarbeitung durch Augenbewegungen, sondern setzt sich aus mehreren Schritten zusammen, die im Folgenden beschrieben werden (Shapiro, 1998).

Quellenangaben:
Shapiro, F. (1998). EMDR – Grundlagen und Praxis: Handbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Paderborn: Junfermann.

4. Ablauf einer EMDR-Behandlung

Die klassische EMDR-Behandlung vollzieht sich in acht aufeinanderfolgenden Phasen, wobei meistens mehrere Phasen in einer Sitzung stattfinden. Es kann einige Einführungs- und Anamnesesitzungen geben, da es wichtig für den therapeutischen Erfolg ist, dass der EMDR-Therapeut gut über die Vorgeschichte und aktuelle Situation des Klienten Bescheid weiß. Auch ist es zentral, im Vorfeld Entspannungs- und Imaginationstechniken zu erlernen, um bei aufkommenden Angst- und Anspannungssituationen zwischen den Sitzungen gewappnet zu sein (Shapiro, 1998).

Phasen 1 und 2: Anamnese, Behandlungsplanung und Vorbereitung

Zu Beginn werden die Vorgeschichte, die aktuelle Situation und die Zielsetzungen des Patienten besprochen. Es wird festgestellt, ob sich EMDR für die Zielsetzung des Patienten eignet. Der Ablauf und die Wirkungsweise wird erklärt. Visualisierungsübungen (z.B. "sicherer Ort", "Tresor") und Entspannungstechniken werden geübt, da diese für Phase 7 und die Zeiten zwischen den Sitzungen gebraucht werden.

Phase 3: Bewertung

Eine belastende Erinnerung wird gemeinsam bewertet. Ein repräsentatives Bild wird für die Erinnerung ausgewählt und eine negative Kognition wird dazu bestimmt, die mit der Erinnerung in Verbindung steht (z.B. "Ich bin machtlos", "Ich kann mir nicht helfen"). Positive Gedanken werden formuliert, die anstelle der negativen treten sollen (z.B. "Ich habe mein Leben in der Hand!").

Phasen 4 und 5: Desensibilisierung und Verankerung

Der Patient bzw. die Patientin hält das belastende Bild mit den negativen Kognitionen mental aufrecht, während die Finger des Therapeuten mit den Augen verfolgt werden. Die Finger führen schnelle horizontale Bewegungen von links nach rechts aus, der Abstand beträgt etwa dreißig Zentimeter bis einen Meter zum Patientengesicht. Dies wird in mehreren Serien wiederholt, bis die subjektive Belastung abgenommen hat. Anschließend wird der gleiche Vorgang wiederholt, um die positiven Gedanken anstelle der negativen zu verankern.

Phasen 6 und 7: Körpertest und Abschluss

Verbliebene Spannungen werden registriert und aufgelöst. Damit der Patient nicht in einem aufgewühlten Zustand aus der EMDR-Behandlung geht, werden Entspannungs- und Imaginationstechniken angewandt. Das Verhalten bis zur nächsten Sitzung wird besprochen.

Phase 8: Überprüfung

Zu Beginn der nächsten Sitzung wird die letzte Einheit nachbesprochen. Der Therapeut kann sich einen Überblick über die auftretenden Reaktionen der vergangenen Tage nach der letzten Sitzung verschaffen (ebd., 1998).

Quellenangaben:
Shapiro, F. (1998). EMDR – Grundlagen und Praxis: Handbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Paderborn: Junfermann.